Mittwoch, 10. Juni 2009

Cyborgs in den Kurzgeschichten "The Gun", "Second Variety" und "Nanny" I

Es soll nun in den drei Kurzgeschichten - „Nanny“, „The Gun“ und „Second Variety“ - von Philip K. Dick nach Cyborgs und Varianten des Cyborgs gesucht werden.
In Dicks Kurzgeschichten kommt man nicht umhin, auf das Thema Mensch-Maschine aufmerksam zu werden. Maschinen machen in seinen Zukunftsvisionen einen erheblichen Teil der Welt aus. Das Leben der Menschen wird zusehends von Maschinen beeinflusst und das Zusammenleben gilt als selbstverständlich. So arbeitet die Küche in „Nanny“ selbstständig, die Amerikaner in „Second Variety“ vertrauen ihren Armreifen und die Menschen in „The Gun“ sind abhängig von ihrem Raumschiff, das sie wieder sicher nach Hause bringen soll. Dies sind Maschinen die an der Seite der Menschen agieren. Außer ihnen gibt es auch diejenigen, die sich (mehr oder weniger) als Feinde darstellen. Dies sind in „The Gun“ die Riesen-Pistole und die „carts“, in „Second Variety“ die Claws und in „Nanny“ die panzerartigen „Kindermädchen“. Also jeweils die Titelfiguren der jeweiligen Kurzgeschichte.
Im Sinne des Blog-Themas stellt sich da die Frage, ob wir es hier auch mit Cyborgs zu tun haben.

Wie bereits in diesem Blog erläutert, handelt es sich bei Cyborgs um Lebewesen, die sich auf der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine befinden. Ich halte es für nötig dies für die betreffenden Kurzgeschichte auszuweiten und von der Schnittstelle zwischen Organismus und Technologie zu sprechen. Im Blogeintrag vom 24. Mai wird folgende Definition geschaffen: „Es [Cyborg] besteht zum Teil aus einem normal geborenen humanen Körper, zum anderen Teil aus (nachträglich) montierten mechanischen Körperteilen.“
Dies trifft auf die Nanny wahrscheinlich nicht zu – ihre genaue Beschaffenheit und Entstehung wird in der Geschichte nie beschrieben, aber den vagen Beschreibungen nach kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht- organischen Ursprungs ist. Bei den Varieties der Claws hingegen lässt sich, wie später näher erläutert werden wird, vermuten, dass sie organischen Ursprungs sind.
In „The Gun“ erfährt man jedoch noch weniger über die Beschaffenheit der Maschinen. Dadurch bekommen wir zum einen zwar keine Hinweise, sind andererseits jedoch so frei um annehmen zu können, dass es möglich wäre, dass sie aus humanen Körpern entstanden sind. Was wir erfahren ist, dass die Bewohner des Planeten aufgrund der vergifteten Atmosphäre ausgestorben sind. Doch dies entspricht lediglich der Annahme der Forschungsgruppe. Die Geschichte lässt Raum für andere Interpretationen. Daher wäre es auch möglich, dass sich die Bewohner des Planeten, um sich vor der tödlichen Gefahr zu schützen, in Cyborgs transformiert haben. Dies wären dann die „carts“ und womöglich auch die „Gun“. Äußerlich ist ihnen nichts organisches anzusehen, doch in ihnen könnten sich noch Bestandteile der Bewohner (Hirn, Nerven...) befinden.
Zwar ist dies blanke Spekulation, Philip K. Dick gibt jedoch keinen Hinweis, der dieser Annahme eindeutig widersprechen könnte.

Genauer lässt sich die Frage nach dem Cyborg jedoch in „Second Variety“ und „Nanny“ untersuchen.
Ich möchte mit „Nanny“ beginnen:
Im erweiterten Sinne kann man sicher bei den Kindern der Fields von Cyborgs sprechen, da sie Menschen sind, die von einer Maschine aufgezogen werden.
Hier lässt sich ein Vergleich zu sogenannten „Wolfskindern“ ziehen. Dies sind Kinder, die in der Wildnis und ohne andere Menschen aufwachsen. Einige von ihnen sind tatsächlich von Tieren „adoptiert“ worden. Sie nahmen daher auch tierisches Verhaltensweisen an, da ihnen menschliche Vorbilder fehlten. Bei den Fields-Kindern sind die menschlichen Vorbilder in Form ihrer Elten allerdings vorhanden. Da sie jedoch die Zeit außerhalb der Schule fast ausschließlich unter der Obhut der Nanny zu verbringen scheinen, wird diese einen nicht unerheblichen Einfluss auf sie haben.
Ist nun auch die Nanny ein Cyborg?
Diese Frage lässt sich schwer beantworten. Vermutlich besteht sie durchgehend aus Technologie. Die Beschreibung ihrer äußeren Erscheinung lässt nichts von organischen oder gar humanen Anteilen ahnen.
Doch ihr Verhalten macht sie verdächtig: Sie schleicht sich Nachts in den Garten um sich mit einer anderen Nanny zu bekriegen.
Das „Verlangen“ andere Nannys zu zerstören kann als von den Herstellerfirmen beabsichtigt gesehen werden, da dadurch die Nachfrage nach neuen Nannys gesteigert werden kann.
Interessanter für die Cyborg-Betrachtung ist die Tatsache des Schleichens, des Heimlichen („she slips down the stairs as quietly as she can“; „it was trying to make as little noise as possible“).
Kann eine Maschine ein Bewusstsein dafür haben, dass sie etwas Unerwünschtes (Kämpfen anstatt auf die Kinder aufpassen) tut?
Später bei dem Kampf im Park drängt sich die Frage auf, wofür die Nannys eigentlich produziert wurden. Man kann davon ausgehen, dass es den Herstellern tatsächlich nur um den Profit geht, weshalb sie die Maschinen auch zu immer stärkeren Panzern ausbauen und auch bei ihrer Programmierung mehr auf ihre Kampffähigkeit achten.
Nimmt man aber an, dass ihnen trotz der fragwürdigen Verkaufsstrategie das Wohl der Kinder ihrer Kunden am Herzen liegt, dann drängt sich die Frage auf, warum die Maschine ihre Arbeit (= auf Kinder aufpassen) vernachlässigt um mit einer anderen zu kämpfen.
Dies hebt sie von einer normalen Maschine, einem Roboter, ab:
Eine programmierte Maschine tut nur das, was ihr befohlen wird. Sie ist, wie der Name Roboter verdeutlicht, ein Sklave, ein Diener, der nur das ausführt, was von ihm verlangt wird. Die Kämpfe der Nannys dagegen entstehen aus eigenem Antrieb. Wenn also angenommen wird, dass die Nannys zwar so gebaut wurden, dass sie kämpfen KÖNNEN, nicht aber darauf programmiert wurden es auch zu TUN, so muss davon ausgegangen sein, dass sich „etwas“ in ihnen verselbstständigt hat.
„Seine Pflichten vergessen“ ist etwas menschliches.
Die Nanny kann daher insofern ein Cyborg sein, als dass ihr Inneres – wenn man so will ihre „Seele“ – menschlich ist.

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