Dienstag, 2. Juni 2009

FEMALE AUTOMATA

Bei der Beschäftigung mit Cyborgs, dem Mensch-Maschine-Diskurs im Allgemeinen und der damit verknüpften ethischen Problematik, stößt man schnell auf den Begriff des Cyberfeminismus bzw. den der „Female Automata“.
Letzterer bezeichnet den Zustand der Frau als Maschine bzw. den der Maschine als ideale Frau, der mutmaßlich schon seit der allgemeinen Objektivierung der Weiblichkeit (als Puppe, Maschine, Dienerin) ausgemalt wird, dessen Benennung jedoch nicht fachbegrifflich festgelegt und allgültig ist.
Maschinalisierte Frauen bilden hier ein Arbeitspotenzial, nicht nur für Hausarbeit, sondern auch für Liebesdienste.

Die Literatur veranschaulicht anhand unterschiedlichster Geschichten die männliche Sehnsucht nach der Konstruktion einer idealen Frau durch künstliche Mittel.
So beispielsweise die von Stephen Gaukroger erzählte Anekdote über die Beziehung des Philosophen René Descartes zu einem weiblichen Automaten, den er nach seiner verstorbenen Tochter benannt und immer "mit sich geführt" habe.
Der häufig als erste Geschichte über „female automata“ präsentierte Roman „L’Eve future“ von Philippe A. M. Villiers de l’Isle-Adam wurde bereits 1885 verfasst und stellt eine pre-kybernetische Phantasie der vom Mann erschaffenen Weiblichkeit dar. In der Geschichte erbaut der Erfinder Tomas Edison einem einsamen Freund zuliebe den Androiden Hadaly, die das Abbild absoluter Fraulichkeit (sowohl physisch wie psychisch) darstellt. Hadaly ist die ideale Frau, die keine realexistierende Frau je verkörpern könnte, sie ist „la Femme“ schlechthin.
(„the present gorgeous little fool will no longer be a woman, but an angel; no longer be a mistress but a lover; no longer reality but the ideal!“)
Sie ist der perfekte Spiegel, zugleich Produkt und Objekt männlicher Phantasie, die ihr Nutzer auf Wunsch an- und abschalten kann.
In beiden Geschichten sind die Maschinenfrau handgemachte und personalisierte Luxusobjekte mit der Funktion als sexuelle Objekte, die wie tote Körper bzw. lebloser Besitz behandelt und gehalten werden, obwohl ihre männlichen Besitzer durch Leidenschaft an sie gebunden sind.
Der zweite Punkt des Reizes der „female automata“, die als Frau dem Original überlegen ist, liegt in ihrer Identität als perfekte Dienerin bzw. Hausarbeiterin. Der Status des Roboters als Dienstbote oder Gehilfe ist zwar ursprünglich schon durch seinen Erfindungszweck (Ersatz/Erweiterung menschlicher Arbeitskraft) festgelegt, manifestiert sich jedoch in der Literatur häufig im Zusammenhang mit der perfekten, kontrollierbaren Frauenmaschine (z.B. in Ira Levins „Die Roboterfrauen“).
Dazu hält Mary Ann Doane fest, „[that] it is striking how often it is the woman who becomes the model of the perfect machine…whereas the men’s body are analogous to machines, the woman’s body literally becomes a machine.”.
Sichtbar ist dies auch in Philip K. Dick „Second Variety” und „Do Androids Dream of Electric Sheep?”, wo weibliche Androiden als begehrenswerter und dynamischer als menschliche Frauen dargestellt werden.

Kritik an dieser Auffassung übt unter anderem Betty Friedan, die das emanzipierte Weiblichkeitsbild in Gefahr sieht („Woman are human beings, not stuffed dolls, not animals“). Sie empfindet Frauen als eine der Gruppen, die von der Kategorie „menschlich“ oder zumindest „vollständig menschlich“ ausgeschlossen und stattdessen zu der materiellen Welt aus Objekt, Besitz und Tier zugeordnet bzw. damit verglichen wurden.
Auch Alexandra Chasin betont die Verbindung von Frauen, Robotern und Dienern in Zusammenhand mit antihumanistischer Kritik. Sie sieht die „gendered, classed and raced category of servants“ als an der Grenze zu Menschen und Dingen lokalisiert und legt dar, dass die instrumentelle Funktion sowie die von Dienerfiguren beanspruchte soziale Position zu einem Vergleich bzw. einer Verbindung von Dienern, Sklaven, Nichtmenschen und Robotern geführt hat.
Marshall McLuhan sieht in diesem Zusammenhang eine Gefahr der Standardisierung und Massenproduktion von weiblicher Schönheit und die steigende Objektivierung und „zum Produktmachung“ der Frau. Der weibliche Körper ist für ihn zu einer Art Liebesmaschine gemacht und die Sexualität so übertrieben worden, dass der Punkt an dem Sex mechanisch und zu einer Zusammenkunft manipulierter Körperteile wird, bereits überschritten ist. Seine Ausführungen lassen sich als Kritik an der Mechanisierung, dem Konsumdenken und der „extention of men“ im Allgemeinen deuten.

Vgl:
Chasin, Alexandra (1995), Class and Its Relations: Identities among Women, Servants, and Machines. Hrsg. Judith Halbermann und Ira Livingston, Posthuman Bodies. Indianapolis: Indiana University Press

Doane, Mary Ann (2000), Technophilia: Technology, Representation and the Feminine. (1990) Hrsg Gill Kirkup, Linda Janes, Kathryn Woosward, Fiona Hovenden The Gendered Cyborg: A Reader. London: Routledge and Open University

Friedan, Betty (1963/1983), The Feminine Mystique. Twentieth Anniversary Edition. New York: Laurel.

Gaukroger, Stephen (1995/1997), Descartes: An Intellectual Biography. Oxford: Clarendon Press.

McLuhan, Marshall (1951/1967), The Mechanical Bride: Folklore of Industrial Man. Boston: Beacon Press

Paasonen, Susanna (2005), Figures of Fantasy: Internet, Women and Cyberdiscourse. New York: Peter Land Publishing

Villier de l’Isle-Adam (1982/2001), Tomorrow’s Eve. Urbana: University of Illinois Press

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